Zur Zeit des
Nationalsozialismus wurden auch in Porz in den
Kriegsjahren zwischen 1939-1945 Menschen aus
eroberten Gebieten zur Zwangsarbeit nach Deutschland
durch die Arbeitsämter angeworben oder von
NS-Organisationen verschleppt. Die Lebensbedingungen
der Zwangsarbeiter waren gemessen an unseren
heutigen Verhältnissen unvorstellbar schlecht.
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Die Lager, in denen die Menschen gegen ihren
Willen untergebracht wurden, waren teilweise
mit Stacheldraht eingezäunt und streng
bewacht. Angehörige verschiedener Staaten
wurden getrennt voneinander untergebracht.
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Vgl. auch
Stadtarchiv Kerpen, Gemeinde
Türnich, Nr. 9361) |
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Stadtarchiv Porz
12.0: Kriegsgefangene und
Ostarbeiter (HSTAKP) |
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Das Porzer
Stadtarchiv enthielt keine Bauanträge und -zeichnungen,
aus der man etwas Näheres über die Ausstattung der Porzer Lager und
damit über die Lebensumstände hätte entnehmen
können. Damit man einen Eindruck gewinnt, haben wir
uns das Archivmaterial aus Wesseling angeschaut, das
Porz auf der anderen Rheinseite fast gegenüber
liegt. Die Quellennachweise sind unten genauer
geführt.
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Ansicht eines Barackenlagers in Rheinnähe2) |
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Vor der Errichtung
eines Zwangsarbeiterlagers mussten die Firmen einen
Bauantrag stellen.
Bauantrag der Fa. Norton (Stadtarchiv Wesseling,
Bestand H,
Nr. 01160)
Für die Lager wurden üblicherweise die Barackentypen
des Reichsarbeitsdienstes verwendet.
Mannschaftshaus: Typenblatt RL IV/2 des
Reichsarbeitsdienstes
Auch ein Lageplan war beizufügen. Hier der Lageplan
eines
"Russenlagers"
auf dem Gelände des Gruhlwerks in Brühl.
(Archiv RWE Rheinbraun AG, 210/831)
Für die Firmen war der Einsatz von
Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter attraktiv, da
sie ihre unfreiwilligen Arbeitskräfte zu
Hungerlöhnen beschäftigten. Das Lohnniveau lag
deutlich unter den Löhnen, die diese Firmen an ihre
deutschen Arbeitskräfte gezahlt hatten, bevor diese
zum Wehrdienst eingezogen worden waren.
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Ca. 75 Pfg.
pro Stunde erhielten frz. Kriegsgefangene,
die bei der
Westdeutschen Papenfabrik Karl Verheyen
eingesetzt waren. |
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Stadtarchiv Porz 12.0: Kriegsgefangene und
Ostarbeiter (HSTAKP) |
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Für manche Firmen gab es bei der Suche nach
geeigneten Räumlichkeiten für die Unterbringung von
Zwangsarbeitern offenbar Engpässe. In
Zeitungsinseraten wurde überregional sogar die
Übernahme bereits belegter Lagerbauten angeboten.
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Dürener Zeitung vom 3.8.1941. (Stadtarchiv
Düren) |
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In den Lagern der
Industriebetriebe oder in der Wahner Heide mussten
die Zwangsarbeiter unter erniedrigenden Umständen in
Holzbaracken leben.
Sie schliefen auf zweistöckigen Eisenbetten mit
Strohmatratzen, Holzpritschen oder einfachen
Strohsäcken. Raue Pferdedecken dienten als Schutz
vor der Kälte.
Manchmal waren die Zwangsarbeiter auch auf
Bauernhöfen untergebracht. Doch auch dort lebten sie
oft unter schlechten Bedingungen.
Für die
polizeiliche Anmeldung
benötigte der
"Betriebsführer"
(z.B. der Landwirt) eine bes.
Genehmigung. |
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Stadtarchiv Porz
12.9: Kriegsgefangene und
Ostarbeiter (HSTAKP) |
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Aufenthaltserlaubnis (Vorderseite), Stadtarchiv Porz
(HSTAKP)
Aufenthaltserlaubnis (Rückseite), Stadtarchiv Porz (HSTAKP)
Die Lebensbedingungen wurden oft durch den Mangel an
fließendem Wasser und ausreichender Hygiene
beeinträchtigt. Gemeinschafts- und Plumpsklos
lockten zahlreiches Ungeziefer, unter anderem
Ratten, Mäuse und Läuse, an, und es gab kaum
Chlorkalk zur Desinfizierung. Oft durften
Zwangsarbeiter sich oder ihre Kleidung nicht einmal
waschen.
Badeerlaubnis
für russische
Munitions-
träger einer
Flakbatterie |
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Stadtarchiv Porz
12.6: Kriegsgefangene und
Ostarbeiter (HSTAKP) |
n) |
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Aufgrund dieser
erschreckend schlechten Verhältnisse konnten sich
Krankheiten und Seuchen leichter ausbreiten. So kam
es beispielsweise 1945 zu einem Massensterben im
Gefängnis/Zuchthaus Siegburg durch die
Fleckfieberepedemie. Der Zustand wurde noch
verschlimmert, weil die Abgabe von Medikamenten an
die so genannten "Ostarbeiter" verweigert wurde.
Auch der Weg zur
Arbeit war nicht einfach. Die Zwangsarbeiter hatten
oft einen langen Weg zurücklegen, z.B. von der
Aerostahl in Porz-Urbach zu den fabrikeigenen
Zwangsarbeiterlagern in Zündorf oder in die
Barackenlager in der Wahner Heide. Nach 12 Stunden
Arbeit mussten sie lange Wege zu ihren Unterkünften
zurücklegen.
In den meisten Fabriken im Porzer Stadtgebiet lebten
die Zwangsarbeiter allerdings in Barackenlagern, die
in der Nähe des Arbeitsplatzes lagen. Die
Angehörigen der verschiedenen Staaten mussten sich
durch Zeichen an ihrer Kleidung kennzeichnen. So
mussten z.B. Polen ein „P“ auf der Kleidung tragen,
und „Ostarbeiter“ kennzeichneten sich durch den
Aufdruck „OST“. 3)
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Abzeichen für Ostarbeiter |
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Abzeichen
für polnische Arbeiter |
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Der deutschen
Zivilbevölkerung war es verboten, den
Zwangsarbeitern irgendwelche Annehmlichkeiten oder
Luxus zu ermöglichen. Jeder Versuch, dieses zu tun,
wurde streng bestraft.
Für die Betriebsführer, also die Firmeninhaber und
Personen, die Fremd- und Zwangsarbeiter
beschäftigten gab der Landrat des
Rheinisch-Bergischen-Kreises
ein Merkblatt heraus. Es enthält sehr strenge
Bestimmungen.
Merkblatt, S. 1 4)
Merkblatt, S. 2 4)
Merkblatt, S. 3 4)
Nicht alle Lager, in denen Zwangsarbeiter
untergebracht waren, waren streng bewacht. Gerade
auf den Wegen von den Lagern zur Arbeitsstätte
nutzen viele Zwangsarbeiter als Gelegenheit zur
Flucht. Gegen Kriegsende verbargen sie sich z.B. in
der Wahner Heide oder nahmen Zuflucht in
ausgebombten Gebäudekomplexen oder nicht genutzten
landwirtschaftlichen Gebäuden.
Die
Aufstellung
der Rheinischen Ziehglas zeigt, dass einige
ihrer Zwangsarbeiter
"flüchtig"
waren. |
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Stadtarchiv Porz
12.0: Kriegsgefangene und
Ostarbeiter (HSTAKP) |
n) |
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Der Landrat des
Rheinisch-Bergischen-Kreises wies in seinem
Merkblatt an die Betriebsführer auf die Gefahren
durch die Vielzahl von "Ostarbeitern" hin:
Merkblatt, S. 4 4)
Während des Krieges
gehörte der Tod der Zwangsarbeiter zum Alltag. Die
häufigsten Todesursachen waren Unterernährung,
Krankheit, Seuchen und Fliegerangriffe.
Im Kirchenarchiv von
St. Josef in Porz finden sich folgende Eintragungen,
die die Intensität der Luftangriffe beschreiben:
Die Bombardierungen von Porz sind in diesem Auszug
aus der Chronik
der Pfarrei St. Josef, Porz,
ausführlicher dargestellt.
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Gräber von
Bomben-
opfern finden sich
auf den Friedhöfen in
Porz und Porz-
Urbach.
Häufig tragen die
Grabsteine das-
selbe Datum. |
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Gräber von zivilen Kriegsopfern auf dem
Porzer Friedhof
Foto: © J. Hindrichs 2009 |
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Tote Zwangsarbeiter wurden meist in Massengräbern, manchmal
aber auch in Einzelgräbern, beigesetzt. In wenigen
Fällen wurden die Todesfälle in die kirchlichen
Sterberegister
eingetragen.
Auszug:
Sterberegister St. Josef Porz 1943
Sterbeurkunden von Zwangsarbeiter in Porz sind hier
digital archiviert:
United States Holocaust Memorial Museum, 5.55 -
9.74, Inventory
1620
Quellennachweis:
1) Der Landrat des Kreises Bergheim gab
am 15.07.1942 eine Verfügung der Gestapo Köln zu
Einsatz und Unterbringung der Ostarbeiter an die
Bürgermeister des Kreises weiter. (Stadtarchiv
Kerpen, Gemeinde Türnich, Nr. 936)
Schreiben des Landrates [jpg]
http://www.historicum.net/themen/zwangsarbeit-rhein-erft-rur/ausstellung/lebensumstaende/barackenlager/
2) Foto: UK, Slg. Stadtarchiv Wesseling
http://www.historicum.net/themen/zwangsarbeit-rhein-erft-rur/ausstellung/lebensumstaende/barackenlager/
3)
Arbeitsgemeinschaft der Archivarinnen und Archivare
im Erftkreis
(Hrsg.): Gezwungenermaßen – Zwangsarbeit in der Region Rhein-
Erft-Rur, Bergheim/Erft 2002
4) Stadtarchiv Porz, 12.5:
Richtlinien für die Behandlung von polnischen
Zivilarbeitern (HSTAKP)
Weiterführende
Quellen:
Würich, S., Den Dom durften wir nie betreten.
Porträts ehemaliger Zwangsarbeiter in Köln;
herausgegeben vom NS-Dokumentationszentrum der Stadt
Köln und von der „Projektgruppe Messelager“ im
Verein EL-DE-Haus e.V., Köln 2009, Emons-Verlag.
Buchbesprechung [pdf]
Zenker, P. Dr., Zwangsarbeit in Siegburg, Siegburg
2005
http://www.peter-zenker.de