Die Entstehung und
die Lage des Lagers
Wann das Lager eingerichtet wurde, ist nicht mehr
genau zu klären. Schon vor 1939 soll als es
Unterkunft für Reichsarbeitsdienstmänner gedient
haben, die an der Autobahn Köln-Aachen gearbeitet
hatten.
Das Lager lag
unmittelbar nördlich neben der Köln-Aachener
Autobahn (heutige A 4).

Die Ausschnittsvergrößerung zeigt den Standort zwar
detaillierter, dennoch ist der Standort des Lagers
aus der Luft heute kaum erkennbar:

Luftaufnahmen aus dem Jahr 1945 ergeben, wo die
Baracken gestanden haben. Dafür, dass im Wäldchen
ein Barackenlager gegeben hat, brachten einige 1981
von der Außenstelle Porz des Kölner Stadtarchivs
erworbene Luftbilder den Beweis.

Luftbildaufnahme 21.3.1945
(Quelle: HASKP: BBg 015-05/7)1)
Die Krankenbaracken waren im westlichen Teil des
Lagers (linke Hälfte) untergebracht. Auf der rechten
Seite befanden sich Verwaltungsgebäude. Die
Lagerteile waren durch einen hohen Zaun abgetrennt.
Die Zustände im „Krankenlager“
Die
örtlichen Arbeitsämter der Rheinprovinz wiesen nicht
mehr arbeitsfähig gemeldete Zwangsarbeiter in das
Lager ein. Dort sollten sie nicht etwa gesund
gepflegt, sondern für einen Sammeltransport in ihre
Heimatländer erfasst und vorbereitet werden. Das
Krankenlager unterstand der NS-Gewerkschaft Deutsche
Arbeitsfront (DAF) und hatte auch eine
Entbindungsstation.
Die Menschen sind "im Gremberger Lager ''wie die
Fliegen' gestorben,
oft schon wenige Tage nach ihrem Eintreffen. In
einer Akte, die den Zeitraum von März bis Juli 1943
umfasst, sind 52 verstorbene Russen aufgeführt, das
bedeutet etwa zehn Tote im Monatsdurchschnitt. Eine
weitere Akte enthält Personalunterlagen von 48
russischen Arbeitern und Arbeiterinnen, die in den
Monaten März und April 1944 verstorben sind, was
einer monatlichen Sterberate von 24 Russinnen und
Russen entspricht."
1990 berichte der Zeitzeuge Jurij Stepanow, der sich
als Zwangsarbeiter dort versteckt gehalten hatte,
über die Zustände im Lager: "Bewacht wurde es von
älteren Wachmännern. Im Lager lebten damals
etwa hundert Zwangsarbeiter. Im vorderen Teil des
Lagers wohnten vorwiegend "aktive", also halbwegs
gesunde Arbeiter, die bei Bauern oder Firmen in der
Umgebung beschäftigt waren. Sie marschierten
entweder morgens selber zu ihrer Arbeitsstätte -
ohne Bewachung - oder wurden von einem Mann des
Betriebes abgeholt. Im hinteren Teil des Lagers
waren mehrere Baracken mit arbeitsunfähigen Kranken;
die meisten hatten Tuberkulose,
andere litten an Hautkrankheiten, einige hatten
schwere Arbeitsunfälle oder
Verletzungen bei Luftangriffen erlitten. Gepflegt
wurden sie durch russische Krankenschwestern; es gab
aber auch Familienangehörige, die sich um die
Kranken kümmerten.
Kontrolliert wurden die Krankenbaracken vom
Wachpersonal so gut wie nie, da sich die Deutschen
vor Ansteckungen fürchteten; insoweit waren Stepanow
sowie einige andere entflohene ausländische Arbeiter
sicher. Vorsichtshalber entfernten sich die
Geflohenen morgens aus dem Lager. Sie hatten an
einigen
Stellen unter dem Stacheldrahtzaun Kuhlen gegraben,
durch die sie hindurchkrochen und die sie danach mit
Grasplaggen und Gesträuch tarnten; abends kehrten
sie auf gleichem Weg ins Lager und in die Baracken
zurück; das war alles anscheinend kein Problem.
Tagsüber gingen die Untergetauchten zu einigen
Bauern in der Umgebung,
besonders zum Landwirt Lippemeier auf dem Gremberger
Hof, um sich dort als Arbeitskräfte anzubieten. Es
gab längst unter den ausländischen Arbeitern ein
Nachrichtennetz, so dass man ziemlich genau Bescheid
wusste, zu wem man als Schwarzarbeiter gehen konnte,
ohne angezeigt zu werden. In dieser Zeit waren die
Landwirte froh über jede zusätzliche Arbeitskraft.
Entlohnt wurden er und die anderen "Illegalen" mit
Lebensmitteln, die sie auch dringend
benötigten.[...]
Stepanow sagte dazu, dass man stets sehr vorsichtig
vorgegangen sei, hier wurden eine Porreestange und
da ein Kohlkopf gezogen oder dort ein paar
Kartoffeln ausgraben. Niemand von den
Gartenbesitzern sollte auf die Idee kommen, eine
Anzeige wegen Felddiebstahls zu erstatten, denn dann
wäre es mit Sicherheit zu einer Großrazzia der
Polizei gekommen."
2)
Die "Ausräumung"
des Lagers am 8. April 1945
Genau das, was man zu
vermeiden suchte, nämlich Aufsehen zu erregen,
geschah durch flüchtige polnische Arbeiter, die im
Lager untergeschlüpft waren und ein totes Kalb
angeschleppt hatten. Stepanow berichtet: "Diese
Männer hätten das Tier zerlegt, das Fell und andere
nicht verwertbare Teile in eine Latrinengrube
geworfen, hätten sich von dem Fleisch eine Suppe
gekocht, von der sie den Lagerinsassen nichts
abgegeben hätten, und seien wieder verschwunden. Am
nächsten Tag sei - so hätten die Lagerinsassen
abends Herrn Stepanow erzählt - ein Bauer mit
einigen Polizeibeamten in das Lager gekommen und
hätten bei der Durchsuchung die Reste des Kalbs
gefunden. Der Bauer sei, ohne ein Wort zu sagen, aus
dem Lager weggegangen.
Stepanow meinte, es könne der Besitzer des
Gremberger Hofes gewesen sein. Ein oder zwei Tage
später, Stepanow glaubte sich zu erinnern, daß es
ein Sonntag gewesen sei , sei er morgens von
Schüssen und lautem Geschrei geweckt worden. Das
Lager sei von uniformierten Männern umstellt
gewesen. Er konnte nicht sagen, ob das Polizei,
Wehrmacht oder gar SS war, in ihren graugrünen
Mänteln seien die nicht zu unterscheiden gewesen. Es
sei ihm und einigen anderen gelungen, unter dem Zaun
hindurch in den Wald zu entkommen. Er habe dann
bemerkt, dass es im Lager brannte, und er habe
weitere Schüsse und Explosionen gehört. Dann konnte
er aus den Geräuschen entnehmen, dass die
Lagerinsassen
auf die Straße getrieben und abgeführt wurden. Nach
einiger Zeit, als wieder alles ruhig war, habe er
sich in das Lager geschlichen. Er habe hier mehrere
Tote und Verletzte gesehen. um die sich einige
zurückgeblieben Insassen und eine russische
Krankenschwester gekümmert hätten. In einer der
verbrannten Baracken hätte er weitere Tote gesehen.
Zum Glück hätten die Deutschen nicht die versteckten
Waffen gefunden, denn dann hätte sicher keiner der
Lagerinsassen überlebt.
Stepanow hatte sich weiter im Wald versteckt
gehalten, bis die amerikanischen Truppen kamen,
denen er von dem Verbrechen berichtete. Für ihn
bestand ein klarer Zusammenhang zwischen dem
Diebstahl des Kalbs und der gewaltsamen Räumung des
Lagers. So wie er dies schilderte, lag diese
Vermutung auch nahe. 3)
Den
Befehl zur Ausräumung des Lagers am 8. April 1945
soll der NSDAP-Kreisleiters Alfons Schaller gegeben
haben. Am
5. März 1948 sagte der Volkssturmangehörige Eugen
Nauertz vor den britischen Ermittlungsbehörden aus,
dass sich an diesem Tag Folgendes ereignet
habe: "Männer in Wehrmachts- und Parteiuniform
hätten das Lager umstellt, seien hineingedrungen und
hätten mit Maschinenpistolen und Gewehren in die
Fenster der Baracken geschossen.
Von seinem Standort am Tor hätte er beobachtet, wie
ein Mann in Parteiuniform sieben oder acht Mal
hinter einem alten Mann hergeschossen habe. Dann sei
ein Pferdefuhrwerk mit Stroh und Kanistern ins Lager
gefahren, das Stroh sei in die Baracken getragen und
angezündet worden. Kaspar R. habe sich von Anfang an
der Aktion beteiligt und ihm nachher gesagt, dass
man das Stroh unter die Betten
in der Krankenbaracke gesteckt habe. Außerdem habe
R. seine ganze Munition verbraucht, so dass er sich
von Nauertz neue Patronen geben lassen musste."4)

Die Luftbildaufnahme 21.3.1945 (Quelle: HASKP: BBg
015-05/7)1) zeigt, dass die Baracken im
linken Lagerteil völlig zerstört oder stark
beschädigt sind.
G. Aders gelangt nach der Durchsicht der
Vernehmungsprotokolle zu folgender Erkenntnis, dass
Angehörige des Volkssturms für das Verbrechen im
Gremberger Wäldchen verantwortlich gewesen seien:
"Für die Augenzeugen muss es so selbstverständlich
gewesen sein, dass dieses Verbrechen wie so viele
NS-Verbrechen von der Gestapo, dem Sicherheitsdienst
der SS (= SD) oder der SA begangen worden sei, dass
sie sich später eingebildeten, deren Uniformen
gesehen zu haben. In Wirklichkeit trugen die meisten
der Männer grau-grüne Wehrmachtsuniformen mit der
Armbinde des Volkssturms, einige "Politische Leiter"
auch die gelbbraunen Röcke oder Mäntel der
Parteiuniform. Die Zahl der Toten, die die Zeugen
gesehen haben wollen, schwankt zwischen fünf bis
zehn erschossenen und bis zu 20 verbrannten
Leichen."5)
Ortsbesichtigung 2009
Das Gelände des ehemaligen Krankenlagers im
Gremberger Wäldchen ist unübersichtlich und schlecht
ausgewiesen, sodass man es nur findet, wenn man von
Ortskundigen begleitet wird oder ein GPS-System
benutzt.
Hier die geografischen Koordinaten:
Länge: 50°54'58.50"N
Breite: 7° 1'19.48"E
Wenn Sie Google Earth installiert haben,
klicken Sie bitte
auf das Logo: |
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Lediglich dieser
Stein in unmittelbarer
Nähe des Friedhofs
weist auf die Gräber
hin |
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Blick auf den Friedhof im Gremberger
Wäldchen |
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Am Ende des Friedhofs
zieht ein Gedenkstein mit roten Buchstaben in
kyrillischer Schrift die Blick an:
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Alexander Werner, 8b, übersetzt:
"Hier sind 74 sowjetische Bürger begraben,
die
während ihrer Gefangenschaft unter dem
Faschismus in den Jahren 1941 bis 1945
ermordet
wurden" |
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Wer den Stein in
Auftrag gegeben hat und wann dies geschehen ist, ist
ungeklärt.6)
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Eingangsbereich: Friedhofsinschrift in
deutscher Sprache |
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Dahinter befindet sich links eine Skulptur von Klaus
Balke
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"Und alles Mitleid, Frau, wenn ich gelogen,
das sich nicht wandelt in den roten Zorn,
der nicht mehr ruht, bis endlich ausgezogen,
dem Fleisch der Menschheit dieser alte
Dorn."
(Bertolt Brecht) |
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Vom Krankenlager ist nicht nur aus
Satellitenaufnahmen von heute, sondern auch bei
einer örtlichen Begehung kaum noch etwas zu
erkennen. Mit Metallsuchgeräten müsste man heute das
Erdreich nach Eisenresten in Fundamentteilen suchen.
Lediglich die
Mischwaldvegetation lässt Aufschlüsse über den
Standort des ehemaligen Lagers zu.
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Lagersüdseite an der Autobahn A4
(Autobahndamm rechts):
Links vom Weg befindet sich ein
Sukzessionsmischwald,
der deutlich jünger ist als die Bewaldung um
das ehemalige
Lagergelände herum. |
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Blick vom Weg auf die Südseite des Lagers.
Die Bäume
sind deutlich jünger als die der Umgebung,
wie der |
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alte Waldbestand am Hinweisstein vor dem
Friedhof zeigt.
Er macht einen "aufgeräumten" Eindruck. |
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Quellennachweis:
1) Aders, G., Die Ausräumung des
Krankenlagers am Gremberger
Wäldchen im April 1945, in: Nationalsozialistische Verbrechen im
rechtsrheinischen Köln während des Zweiten Weltkrieges,
Rechtsrheinisches Köln, Bd. 25, 1999, S. 160
2) Ebd., S. S 157, 162-163
3) Ebd., S. 164
4) Ebd., S. 170
5) Ebd., S. 170
6)
Ebd., S. 150
Alle Farbfotos:
© J. Hindrichs
2009