Das SA-Lager am Hochkreuz


Die Vorgänge, die sich ab 1933 im sog. wilden SA-Lager am Hochkreuz abgespielt haben, sind aus zweierlei Gründen bemerkenswert.

Zum einen diente das Lager nach 1942 als kleines Durchgangslager für Juden, die zum Bahnhof Deutz "für den Transport nach dem Osten" geschafft werden sollten. In Porz gab es entweder keine geeigneten Räumlichkeiten oder man wollte einfach nicht, dass in der Öffentlichkeit der Abtransport von Gefangenen in die Konzentrationslager wahrgenommen wurde.  

Zum anderen liefern die Vorgänge, die sich unmittelbar nach der "Machtergreifung" 1933 im SA-Lager am Hochkreuz abgespielt haben, eine Erklärung dafür, mit welchen Methoden die Nationalsozialisten es fertig gebracht haben, den größten Teil der Porzer Bevölkerung zu Zuschauern oder sogar zu Mitläufern zu machen.

             
Von Vernehmungszimmer 
(Fenster) schauten      
Foto: © J. Hindrichs 2009
    die Gefangenen direkt auf das Kessel-
haus, in dem der Folterkeller unter-
bracht war.
Foto: © J. Hindrichs 2009
 

Hier die geografischen Koordinaten:
Länge: 50°54'19.12"N
Breite:    7° 3'49.76"E

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Das Lager als Ort der Einschüchterung der Bevölkerung


Nachdem die NSDAP die Macht ergriffen hatte, versuchte sie von Anfang an auch in Porz die Oppositionellen zu unterdrücken. Am 22 Juni wurde die SPD verboten, und zwischen dem 27. und dem 5. Juli lösten sich alle anderen Parteien selbst auf. So wurden Verdächtige, bei denen man illegale Schriften und Waffen vermutete, am 22. Juni verhaftet. Diese wurden anfangs in das Zuchthaus in Siegburg überführt. Am 28. und 29. Juni wurden weitere Personen in die stillgelegte Fabrik „Stellawerk“ gebracht und von den SA-Männern Fritz Bauch und Karl Vierkotten schwer misshandelt. Man wollte u.a. von den Gefangenen wissen, wer waren die Verfasser des illegalen Kampfblattes "Roter Sender" seien, wer dieses Blatt hergestellt und wo die Druckmaschine gestanden habe, wer sonst noch Flugblätter geliefert habe, wer die Beziehung zu auswärtigen Gesinnungsgenossen aufrecht halte und wo Waffen versteckt seien. Durch diese Aktion wurden Aussagen herausgeprügelt, sodass man eine geheime Druckerei ausheben und Waffen und Flugblätter finden konnte. Wegen einer vom Bürgermeister geplanten Massenverhaftung von KPD- und SPD- Mitgliedern brauchte man eine neue Unterbringung. Das Rathaus war jedoch zu klein und das SA-Heim in Porz war auch nicht geeignet. Die abseits gelegene, leerstehende Fabrik am Hochkreuz bot gute Voraussetzungen. Offiziell wurde hier eine SA-Schule eingerichtet. Die südlich gelegene Schlosserei nahm man als Unterkunft für die Verhafteten. Sie mussten auf den kalten mit Stroh bestreuten Boden schlafen.
In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 1933 wurden etwa 45 - 65 Männern verhaftet. Bei den Verdächtigen machte man Hausdurchsuchungen und diese wurden in Schutzhaft genommen, wenn man Beweise für verbotene politische Betätigungen gefunden hatte. Kraftfahrzeuge wurden nach Flugblättern und verdächtigem Material durchsucht, jedoch fand man nichts. Die Gefangenen wurden auf LKWs geladen und zur Fabrik am Hochkreuz gebracht. Dort wurden sie schwer misshandelt. Nacheinander wurden die Gefangenen in das Kesselhaus der Fabrik geführt, auf dessen Tür man „FK“ geschrieben hatte; diese Abkürzung stand für „Folterkammer“. Diese ungeschönte Formulierung lässt darauf schließen, dass es den Tätern auf die Abschreckung ankam: jeder, der das las, sollte wissen, was sich da abspielte.

     
  F.K. (= Folterkeller)
2 Mann1)
  Das Kesselhaus, in dessen Keller
die Folterungen stattfanden.1)
 
     
  Tür einer Zweimannzelle
mit den Namen der
Inhaftierten1)
  Folterkeller im Kesselhaus1)  

(Fotos: Aders, Das Schutzhaftlager der SA am Hochkreuz in Porz-Gremberghoven, Rechtsrheinisches Köln 1982, Bd. 8, S. 101, 119, 120)


Von den Inhaftierten galten 14 Männer als besonders verdächtig; diese wurden stark gefoltert, wie z.B. mit der sogenannte Schwimmübung: Das Opfer bekam einen Stick um den Hals und wurde hochgezogen, bis es gerade noch auf den Fußspitzen stehen konnte und verzweifelt mit den Armen ruderte. Es gab auch Zwischenfälle: Die beiden Hauptschläger erkannten in einem der Gefangenen einen alten Kameraden wieder. Sie weigerten sich ihn zu schlagen und ließen es zwei Porzer SA- Männer machen. Es gab auch Widerstand unter den SA-Männern: Josef Ley weigerte sich, seinen bewusstlos geprügelten Schwiegervater mit kalten Wassergüssen in das Bewusstsein zurückzuholen, damit die „Vernehmungen“ weiter gehen konnten. Deswegen musste er das Lager verlassen und wurde aus der SA ausgeschlossen. Von da an lebte auch er in Angst in Haft genommen zu werden. Andere SA- Leute setzten sich beim Lagerkommandanten für die Gefangenen ein, beteuerten deren Harmlosigkeit und erreichten deren schnelle Freilassung.

               
  In der Schlosserei des ehemaligen
Stella-Werkes waren die Gefangenen
untergebracht1)
  Das Gebäude ist gut erhalten:
Wo heute "Camping und Freizeit"
steht, war 1933-1945 Unfreiheit.
Foto: © J. Hindrichs 2009
 


In Porz war sehr schnell bekannt, was sich am Hochkreuz abspielte, obwohl die Fabrik etwas abseits lag. Es konnte auch nicht geheim bleiben, dass der Nierenkranke Matthias Neu aus Eil, den man bewusst in die Nierengegend geschlagen hatte, am 30. Januar 1934 an seinen inneren Verletzungen verstarb. Nach 14 Tagen wurden fast alle Inhaftierten entlassen; so konnten viele Bewohner von Porz sehen, was man ihnen angetan hatte. Die Entlassenen hatten sich zu Stillschweigen über die Vorfälle während ihrer Gefangenschaft verpflichten müssen. Unter Folter wurden drei Geständnisse über versteckte Waffen erpresst, die zu Anklagen wegen Hochverrats führten. Es wurden sieben weitere Männer in das Lager eingeliefert. Zwei Polizisten hatten sie wegen Verdachts auf kriminelle Handlungen festgenommen und bei den Vernehmungen herausgefunden, dass sie politisch links standen. Es wurden Geständnisse heraus geprügelt. Unter diesen Männern war einer, der wirklich unschuldig war. Da er nichts zu gestehen hatte, wurde er immer wieder gefoltert. Nach zwei Selbstmordversuchen brach er zusammen und gestand alles, was man von ihm hören wollte, einschließlich eines 11 Jahre zurückliegenden Mordes, mit dem er nachweislich nichts zu tun hatte. 33 weitere Gefangene wurden in das Hochkreuzlager verschleppt. Ende Juli waren von den 40 Inhaftierten 21 Gefangene in das Gefängnis Köln überführt, nicht ohne dass man ihnen zuvor angedroht hatte, dass, wer widerrufe, ins Lager zurückkehre.

Davon wurden vier des Hochverrats angeklagt und gegen 17 weitere Personen wurden Strafverfahren wegen krimineller Vergehen eröffnet. Im August 1933 widerriefen mehrere der aus dem Hochkreuzlager in das Gefängnis überführten Gefangenen, ihre Geständnisse und stellten Anzeige wegen Körperverletzung.

Auch wenn die Anschuldigungen gegen die Gefangenen sich vielfach als haltlos erwiesen, verfehlten die Verhaftungen ihre Wirkung nicht. Die Nazis verhafteten Funktionäre von Parteien, die der Bevölkerung vor 1933 z.T. wohlbekannt waren. Die Nazis wussten auch, dass die Bevölkerung von der Existenz des Lagers am Hochkreuz wusste und  das die entlassenen Gefangenen "unter der Hand" reden  würden. Genau damit wurde die Absicht verfolgt, sich die Bevölkerung gefügig zu machen.

Allerdings wurde die Vorgehensweise der SA selbst dem Regierungspräsidenten Köln so suspekt, dass er die Aufgaben des Staatsschutzes wieder in "professionellere" Hände, nämlich der Polizei, legen wollte: Aus ordnungspolitischen Gründen wies am 14.8.1933 „der Regierungspräsident von Köln seine Landräte und Oberbürgermeister unter Hinweis auf die Erklärung Hitlers zur Beendigung der Revolution an, unter keinen Umständen andere als Polizeibeamte zur Bekämpfung von Staatsfeinden einzusetzen. Die Bestallung von Sa- und SS-Leuten zu Polizeihelfern sei hiermit aufgehoben, alle Sonderausweise seien umgehend einzuziehen. Gegen Übergriffe von Dritten – hier ist die SA gemeint, wird aber nicht genannt (!) – sei mit aller Schärfe vorzugehen.“ 2)

Obwohl ein Kölner Staatsanwalt begonnen hatte, die Vorgänge aufzuklären, wurde das Verfahren 1934 eingestellt und konnte erst nach dem Krieg wieder aufgenommen und abgeschlossen werden. Durch den Krieg waren nahezu alle Beteiligten, Opfer wie Täter weit zerstreut; manche waren in Lagern verstorben, andere waren gefallen oder vermisst. Aber die Opfer der NS-Willkür hatten nicht vergessen, was man ihnen 1933 angetan hatte. Im Herbst 1946 wurden Naumann, Clemens, Burchhardt und Broich verhaftet, desgleichen weitere ehemalige SA Männer des Wachpersonals. Bauch und Vierkotten waren im Krieg gefallen. Lamotte galt als vermisst und Schreiber sollte unter falschem Namen untergetaucht sein. Vier Angeklagte, wurden wegen Freiheitsberaubung, Körperverletzung und Nötigung sowie wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu Zuchthausstrafen verurteilt. Zwei Porzer, die zum Wachpersonal gehört hatten, erhielten Gefängnisstrafen, drei Angeklagte wurden freigesprochen. Die Hintermänner wie der Porzer Bürgermeister Oedekoven und der Landrat kamen ungeschoren davon. Heute ist noch die Schlosserei zu sehen, in der die Häftlinge untergebracht waren.

Weiterführende Literatur: 3) - 5)


Die Verwendung des Lagers zum Abtransport von Juden aus Porz

Das Lager wurde nach der Verfahrenseinstellung 1934 wieder belegt. Es diente bis zum Ende der Deportationen, die vom Deutzer Bahnhof ab 1942 stattgefunden hatten, als Durchgangs- und Sammellager für Juden und Zwangsarbeiter.

Interview mit Frau Fings, der stellvertretenden Leiterin des NS-
Dokumentationszentrums im EL-DE Haus in Köln:

Frau Fings, warum hat keiner etwas gegen die Grausamkeiten am Hochkreuz unternommen?

Die größte Rolle spielte dabei die Angst gespielt. Keiner der Entlassenen habe sich bei einer höheren Behörde über Misshandlungen beschwert.

Warum war das so?

Die entlassenen Schutzhäftlinge hatten sich zum Stillschweigen verpflichtet, also konnten sie und ihre Angehörigen nichts unternehmen. Und wer wollte sich schon zum Fürsprecher von Kommunisten machen, die erstens ohnehin auf der untersten sozialen Stufe standen und unter den Mitbürgern das geringste Ansehen genossen und zweitens durch die monatelangen Pressekampagnen und durch die Hochkreuzaktion selbst zu Verbrechern und Hochverrätern abgestempelt waren?

Warum hat sich niemand für die Lagerinsassen eingesetzt?

Wer sich öffentlich über das erregen wollte, was im Lande geschehen war, musste damit rechnen, selber in Schutzhaft genommen und wegen Verstoß gegen das Heimtückengesetz angezeigt zu werden.

Wie dachte man in den Reihen der NSDAP über das "wilde" KZ der SA?

Auch manche der NSDAP Anhänger waren für das SA Lager. Man hatte aber auch keine Wahl. Entweder man war dafür, oder aber man wurde verfolgt.

Was weiß man über die Personen, die in das Lager am Hochkreuz
1933 eingeliefert wurden?

In das SA Lager wurden nur Männer eingeliefert, obwohl es mit Sicherheit auch in Porz politisch aktive Frauen gegeben hat. Zwar wurden die Familien der Männer in Ruhe gelassen, aber da nur die Männer Geld verdiente, waren die ganzen Familie davon betroffen.

Von den Inhaftierten aus Porz sind die nachstehenden namentlich bekannt:

Heinrich Berger

Theo Höngesberg

Johann Röske

Jacob Breuer

Heinrich Klein

Peter Schmitz

Karl Clemens

Heinrich Köhlbach

Gerhard Stockhausen

Matthias Diegel

Josef Kurscheid

Johann Vollberg

Fritz Einighammer

Peter Lambertz

Mathhias Vollberg

Matthias Faust

Matthias London

Paul Weber

August Geilhausen

Michael London

Josef Weiß

Paul Geilhausen

Engelbert Lommersum

Paul Wichelhaus

Heinrich Graf

Matthias Mombauer

Josef Wolf

Franz Heiden

Matthias Neu

Ernst Wunderlich

Jean Heiden

Peter Piel

 





Quellennachweis:

1) Gebhard Aders, Das Schutzhaftlager der SA am Hochkreuz in
    Porz-Gremberghoven, in.  der Stadt Köln, Historische Luftauf-
    nahmen, Streifen 11, in: Rechtsrheinisches Köln 1982, Bd. 8,
    S. 95-126.


2) Gebhard Aders, Das Schutzhaftlager der SA am Hochkreuz in
    Porz-Gremberghoven, Rechtsrheinisches Köln 1982, Bd. 8, S. 116.

3) Gebhard Aders, Terror gegen Andersdenkende. Das SA-Lager am
    Hochkreuz in Köln-Porz, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.),
    Instrumentarium der Macht, Frühe Konzentrationslager 1933-1937,
    Berlin 2003, S. 179-18

4) Gebhard Aders, Köln-Porz, in: Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrsg.),
    Der Ort des Terrors, Geschichte der Konzentrationslager. Frühe Lager,
    Berlin 2003, S. 140-142
     Seite 140     Seite 141      Seite 142
    (Seitenabbildungen bei: Google)

5) Gebhard Aders, Das SA-Lager am Hochkreuz in Porz, in:
    Konzentrationslager im Rheinland und in Westfalen 1933-1945
     Seite 25     Seite 26      Seite 27
     Seite 28     Seite 29      Seite 30      Seite 31
    (Seitenabbildungen bei: Google)

6) Das SA-Lager Hochkreuz als abgeschirmtes „Sammellager“
    Geschichtswerkstatt Köln-Brück
    http://www.gw-koeln-brueck.de/index.php?
    menid=5&PHPSESSID=d522807ed548b7d70dc370f33a124e8a#
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