Der Längsschnitt
durch 140 Jahre Porzer Lokalgeschichte zeigt, dass
im Untersuchungszeitraum erhebliche Verstöße gegen
die Grundrechte von Minderheiten vorgekommen sind.
Betroffen waren die afrikanischen Kriegsgefangenen
und Besatzungssoldaten, die Fremd- und
Zwangsarbeiter und vor allem die jüdischen Mitbürger
in der Zeit von 1933 - 1945.
Die Integration der jüdischen Mitbürger gestaltete
sich allerdings in der Zeit von 1870 bis zum Ende
der 20er Jahre des 20. Jh. weitgehend problemlos.
Nennenswerte Verstöße gegen Grundrechte haben wir
nicht gefunden, es gibt eine Menge von Belegen, die
zeigen, dass jüdische Mitbürger vor allem in der
Kaiserzeit gesellschaftlich anerkannt und Funktionen
in der Öffentlichkeit übernommen haben.
Ausgesprochen günstig war es, dass es in Porz die
jüdische Bevölkerung sich über das ganze Stadtgebiet
hinweg verteilt hat. Insofern wurde eine
Konzentration einer Minderheit auf bestimmte
Stadtgebiete vermieden - anders als bei den
Migranten heute, die im Stadtteil Finkenberg leben.
Dies hat dazu geführt, dass die jüdischen
Mitbürgerinnen und Mitbürger anders wahrgenommen
wurden als alle anderen Minderheiten in Porz:
Zwangs- und Fremdarbeiter lebten entweder in
Baracken auf abgegrenzten Fabrikgeländeflächen in
Porz oder in Lagern am Stadtrand (Grengel, Elsdorf,
Libur). Die afrikanischen Soldaten sowie die
Kriegsgefangenen des I. und II. Weltkrieges wurden
in Lagern in der Wahner Heide untergebracht, sodass
Kontakte mit der Porzer Bevölkerung ausblieben.
Lediglich die afrikanischen Soldaten hatten am
Wochenende die Möglichkeit, ihre Lager zu verlassen.
Ansonsten hat es wegen der räumlichen Trennung keine
nennenswerten Kontakte zwischen den in den Lagern
lebenden Minderheiten und der Porzer Bevölkerung
gegeben.
Die belgischen Besatzungstruppen lebten zwar im
Stadtgebiet verteilt, waren aber durch ihre nahezu
perfekte Infrastruktur und Versorgung so autark,
dass sich keine wesentlichen Berührungs-punkte mit
der Porzer Bevölkerung ergeben haben. Insofern
können im Zusammenhang im Verhältnis von
Besatzungstruppen und der Porzer Bevölkerung keine
Grundrechtsverletzungen festgestellt werden.
Benachteiligungen haben sich höchstens für die
Kinder der belgischen Besatzungssoldaten ergeben,
die für mehrere Jahre, die in ihre Schulausbildung
gefallen waren, aus ihrer gewohnten Umgebung in
Belgien gerissen wurden, weitgehend ohne Kontakt
abgeschirmt in Porz gelebt haben und dann nach Orten
in Belgien zurückgekehrt sind, zu denen sie keine
Beziehung und Sozialkontakte entwickeln konnten.
Dieser Umstand wird von den ehemaligen Schülerinnen
und Schülern des belgischen Gymnasiums in Rösrath
beklagt, stellt aber bei Kindern von
Militärangehörigen keine Besonderheit dar.
Die Haltung der
Porzer Bevölkerung zu den einzelnen Minderheiten
war und ist bis heute unterschiedlich. Was die
Beurteilung der Zeit zwischen 1933 und 1945
anbetrifft, muss man einräumen, dass die
Grundrechte der Porzer Bevölkerung von den Nazis
ebenfalls in erheblichen Maße eingeschränkt
waren. Dies näher zu untersuchen, war nicht
unsere Aufgabe. Wir sind auf Quellen gestoßen,
die eindeutig belegen, dass Einschüchterung und
Terror auch vor der Porzer Bevölkerung nicht
Halt gemacht hatte. Dies gilt insbesondere in
den Monaten der "Machtergreifung" (1933) und für
die Endphase des Krieges. Unsere Gespräche mit
Zeitzeugen oder Kindern von Zeitzeugen belegen,
dass die Nazis Porzer Bürger offen und verdeckt
(z.B. durch Beschädigung der Drucker der Fa.
Gantenberg durch Sabotage) verfolgt haben,
sodass Solidarität mit den von den Nazis
verfolgten Minderheiten gefährlich war. Beim
Begräbnis eines angesehenen
Porzer Juden
bewiesen allerdings viele Porzer Bürger 1942 Courage,
weil sie gegen den erklärten Willen der
örtlichen Machthaber den Trauerzug begleitet
haben.
Die meisten
Minderheiten haben im Untersuchungszeitraum in
Porz auf Zeit gelebt, d.h. sie waren entweder
zwangsweise in Porz untergebracht oder aufgrund
beruflicher Veranlassung nach Porz gekommen.
Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich nicht
endgültig in Porz niederlassen wollten. Dies
unterscheidet diese Gruppen von den jüdischen
Mitbürgern und von den Migranten, die heute im
Stadtteil Finkenberg leben.
Die Integration
der Migranten im Stadtteil Finkenberg, die
inzwischen bereits in der zweiten Generation in
Porz leben, hängt entscheidend mit der Sanierung
der verfehlten Stadtplanung in den 80er Jahren
zusammen. Der teilweise stark heruntergekommene
Hausbestand hat zu Leerständen bzw. zu
Problembelegungen geführt. Der Verfall der
Infrastruktur und der Freiflächen ist mit diesem
Prozess parallel gelaufen. Sachbeschädigung,
Gewalt, Bandenbildung und defizitäre
Polizeipräsenz prägen noch das Stadtbild. Dieser
Problematik jedoch ist durch staatliche
Maßnahmen nur im Nachhinein beherrschbar,
entscheidend sind präventive Maßnahmen, um
den "Wohlfühlfaktor" und die Sicherheitslage zu
verbessern.1)
Die Sanierung kann auch durch städtische Stellen
nicht alleine durchgeführt werden, weil die
Stadt nicht Eigentümerin dieser Wohnungen ist.
Die Startermaßnahmen für die Sanierung sind
darauf abgestellt, den Stadtteil durch bauliche
Veränderungen (auch Rückbau) für andere soziale
Schichten wieder attraktiver zu machen, damit
ein besserer sozialer Mix bei den Einwohnern
zustande kommt. Dies böte dann auch Handel und
Gewerbe eine Perspektive zum Ausbau des
Angebotes. Eine entscheidende Rolle dürften die
sozialen und kirchlichen Einrichtungen spielen,
die sich vor allem um die Integration der immer
noch zuziehenden Migranten, jetzt vor allem aus
Osteuropa, bemühen.
Aus der Sicht der positiven Erfahrungen mit den
jüdischen und belgischen Minderheiten in Porz
sollte man auch in Betracht ziehen, zukünftig
neuen Migranten aus der Türkei und Osteuropa
Wohnraum nicht allein in Finkenberg, sondern
auch in anderen Stadtteilen anzubieten, um einer
Segregation entgegenzuwirken.
Über alle Einzelentscheider hinweg hat die Stadt
ein Stadtteil-management mit integrativen und
dezentralen Steuerungsstrukturen etabliert, das
die Sanierung dieses Problembezirks und damit
auch die Integration der dort lebenden Migranten
aktiv steuern soll.2) Als günstig
erweist sich, dass die meisten Porzer in der Regel keine
aggressive Einstellung gegenüber Migranten haben
und für rechtspopulistische Parolen nicht so
empfänglich sind wie anderenorts. Dazu dürfte
das Zusammenleben mit Minderheiten über lange
Zeiten hinweg und die Funktion von Porz als
Garnisonsstadt wesentlichen Anteil gehabt haben.
Wer den Umgang mit unbekannten Menschen gewohnt
ist, ist flexibler, gelassener und für Neues
offen.
Quelle:
1)
Agentur für Grundrechte (FRA): Mit gutem
Beispiel vorangehen
Zum Download anklicken
2)
Sozialraumanalyse – Soziale, ethnische und
demografische
Segregation in den nordrhein-westfälischen Städten, Gutachten
für die Enquetekommission „Zukunft der Städte in NRW“ des
Landtags Nordrhein-Westfalen, Dortmund und Bochum, Januar
2003, S. 180ff.